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AutorenbildSabine Bobert

Minimalismus: Skizze zu meinem Weg

Aktualisiert: 14. Mai 2021






Am Anfang stand meine Forschung über das Mönchtum als Uni-Prof. Ich wollte herausfinden, wieso die Mystik in den Anfangszeiten des Christentums noch lebendig war. Ich las alles, was ich finden konnte, über die Einsiedler in der ägyptischen Wüste im 4. Jahrhundert – wie sie lebten und vor allem wie sie meditierten. Ich las die „Aufrichtigen Erzählungen eines russischen Pilgers“ – eine super Einführung durch einen hohen Meister in so eine Art Nonstop-Zen-Praxis, mitten im Alltag. Ich las alles über heutige Einsiedler.


Inzwischen lebe ich barfuß. Ich esse als einzige Mahlzeit innerhalb von 3 Stunden am Tag rohes Gemüse, Wildkräuter und Nüsse. Ich habe mich von einem Großteil meines Besitzes getrennt, weil ich ihn als Ballast empfand. Derzeit lebe ich wie ein Wandler zwischen den Welten: Man sieht mich barfuß in der Uni, wo ich als Theologieprofessorin arbeite. Und so viel ich kann lebe und arbeite ich draußen unter freiem Himmel.


Meine Wohnung sieht aus, als sei ich noch nicht eingezogen: freier Holzfußboden und sonst nichts. Im Keller stehen einige Möbel. In ihnen lagern vor allem Outdoor- und Kamera-Zubehör, Büromaterial, Material für Mystik-Seminare.


Meine gesellschaftliche Programmierung hatte mich auf den Besitz edler Dinge und auf Anerkennung durch Leistung als die wichtigsten Glücksquellen ausgerichtet. Als ich wie Evagrius Ponticus und der „russische Pilger“ mit dem Nonstop-Meditieren begann, zerfielen viele gesellschaftliche Werte wie Staub. Du bekommst eine rasiermesserscharfe Wahrnehmung für Dich selbst und für alle Formen von Manipulation. Und Du bekommst Kontakt zu einer noch nie gekannten Quelle von Liebe und Stärke, die mitten in Dir immer tosender wird.


Mein Barfuß-Gehen war gar nicht mönchisch gemeint. Mir war das Buch von Carsten Stark „Füße gut – alles gut“ in die Hände gefallen. Ich entdeckte, dass Schuhe meine Füße ruiniert hatten und dass der Absatz meine Wirbelsäule im LWS- und HWS-Syndrom gefangen hielt. Nach einem Jahr in Barfuß-Schuhen und einem zweiten Jahr fast nur barfuß hatte ich keine Spreiz-Knick-Senkfüße mehr und einen starken Rücken. Der Direktkontakt zur Erde gibt mir tiefen Frieden.


Als ich begann, mein Dauermümmeln und -Naschen auf ein 5-Stunden-Fenster einzuschränken, wurde mein Kopf superklar. Stimmungsschwankungen verflogen, nachdem ich Zucker und Weißmehl wegließ. Ich fiel nicht tot um, als ich nur noch 3 Stunden etwas aß und Fleisch wegließ. Ich bekam eine Bombenkraft. Und obendrein Lachanfälle. Der Darm produziert über 70 % der Glückshormone – wenn er nicht durch Verdauen lahmgelegt ist.


Ich wurde glücklicher und mutiger und startete mein nächstes Experiment: Ich schrumpfte meinen Besitz auf die Dinge, die mich wirklich glücklich machten. Meine größte Hilfe war dabei das Buch „Magic Cleaning“ von Marie Kondo. Mein damaliger Partner erklärte mich für verrückt. Doch ich war superklar wie ein Zen-Mönch, und ich fühlte mich hinterher wie von 1.000 gesellschaftlichen Fesseln befreit. Das Wegwerfen und Weggeben nach Marie Kondos Anleitung führt Dich dazu, zu erkennen, wer Du wirklich bist und was Dich wirklich glücklich macht.


Die Entlastungs-„Phase 2“, wie ich es nenne, wurde ausgelöst, als ich die fast leere Wohnung von Fumio Sasaki in seinem Buch „Das kann doch weg!“ erblickte. Eine Wohnung, die deinen klaren Geist im absoluten Hier und Jetzt ruhen lässt.


Was habe ich gewonnen? Mich. Ich kümmere mich daheim nur noch um wenig. Der Freiraum lässt mich kreativ werden. Man könnte sagen, durch die Leere um mich herum bin ich ständig auf mich zurückgeworfen. Genau das will ich. Ich spüre jetzt, wie ich selbst im Mittelpunkt meines Lebens stehe. Ich bin von einem Sammler und Sicherheitsdenker in eine ungeahnte Freiheit und Kreativität eingekehrt. Ich nehme Einladungen zu Abenteuern an. Ich lerne auf dem Waveboard in der Halfpipe skaten, mache Kletterkurse für Bergabenteuer, trainiere für Abenteuertouren mit dem Seekajak auf dem Meer. All das waren meine Jugendträume, bis ich „erwachsen“ wurde und Konventionen für wichtiger hielt als meine eigene Lebendigkeit. Ich habe mich von belastenden Beziehungen verabschiedet. Ich stecke die Kraft – statt anstrengender Daueranpassung – jetzt lieber in ein Netzwerk aus Menschen, in dem wir uns gegenseitig im Leben unserer Träume unterstützen.


Mehr dazu von mir auf Youtube: „Faszination Minimalismus: Sabine Bobert“; „Barfuss für Anfänger“, „Minimalismus leben: barfuss – essen - wohnen“ „Wie ich zum Minimalismus fand“.

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